Offline vs. Online-Besprechung

Geschrieben von Peter Klar

Heutzutage müssen die Teilnehmer nicht mehr in einem Raum vor Ort sitzen, wenn sie eine Besprechung, Meeting, Konferenz, Schulung, Training etc. machen wollen. Früher waren die Möglichkeiten mit einer Telefonkonferenz erschöpft, durch die neuen Technologien gibt es viel mehr Möglichkeiten zusammen zu arbeiten ohne zusammen zu sein. In diesem Artikel schauen wir auf die Unterschiede der Online-Besprechung zur ihrer Offline Variante. 

Besprechung online oder sogar virtuell?

Bei Besprechungen vor Ort haben wir sozusagen eine 4D-Erfahrung von den anderen Teilnehmern, von Raum und der Umgebung.

Bei den elektronischen Medien gibt es

  • Audio-Verbindungen: man kann die anderen Teilnehmer und den Moderator hören, also die klassische Telefonkonferenz, die heutzutage auch über das Internet stattfinden kann.
  • Video-Verbindung: man kann die anderen Teilnehmer hören und in einem Video sehen, je nach Service kann man nur den Sprecher, eine Auswahl der Teilnehmer oder alle Teilnehmer sehen
  • Virtuelle Besprechung: jeder Teilnehmer schafft sich ein elektronischen Stellvertreter (Avatar), den er in einer virtuellen Welt mit andere Avataren interagieren lassen kann. Man kann seinen Avatar durch verschiedene Räume oder Plätze steuern und trifft dort auf andere Avatar mit denen man Kontakt aufnehmen kann. Diese Treffen können völlig anonym sein, wenn nur per Text-Nachrichten kommuniziert wird, oder sie werden mit Audio oder Video-Verbindungen kombiniert. Je nach Technik werden Personen in der Nähe lauter und entferntere Personen leiser wiedergegeben, mit Stereo-Klang kann man sogar die Richtung der Sprecher unterscheiden. Diese Technik kommt aus der Spieleentwicklung, vermutlich ist sie daher in der betrieblichen Praxis eher selten.
  • Screen-Sharing/Präsentation: der Bildschirminhalt des Präsentierenden ist für die Teilnehmer sichtbar.
  • geteilte Arbeitsfläche: das elektronische Pendant zur Pinnwand oder zum Whiteboard, das von allen Teilnehmern gleichzeitig bearbeitet werden kann
  • geteilte Dokumente: Dokumente können von allen Teilnehmern gleichzeitig geöffnet und bearbeitet werden.

Inzwischen gibt es viele Möglichkeiten für Besprechungen über das Internet. Dabei lassen sich die Medien von oben nahezu beliebig kombinieren. Man kann also eine Audio-Besprechung machen und dabei eine Präsentation teilen. Oder eine Video-Besprechung bei der die Teilnehmer gleichzeitig an einem Dokument arbeiten. Es sind sogar Hybrid-Lösungen denkbar: einige Teilnehmer treffen sich in einem Besprechungsraum mit einem Mikrofon und einer Kamera, die anderen Teilnehmer schalten sich über das Internet dazu.

Es gibt also nicht die Online-Besprechung, sondern ein große Vielfalt an Medien und deren Kombination.

Neue Probleme durch Online-Besprechungen

Wer schon einmal eine Online-Besprechung mitgemacht hat, kennt auch die folgenden Phänomene:

  • während und nach der Besprechung ist man ermüdet und schlapp
  • Gespräche stocken immer wieder, oder man spricht gleichzeitig,
  • im Gegensatz zum Offline-Meeting kommt keine richtige Diskussion oder Beteiligung auf,
  • die Zusammenarbeit kommt schnell an die Grenzen, weil man Ergebnisse nicht für alle sichtbar festhalten kann oder dies nur durch eine Person möglich ist.

Diese Erscheinungen haben einen eigenen Begriff bekommen: „zoom fatique“. Woran liegt das, warum strengen uns Online-Besprechungen mehr an, als eine klassische Besprechung? Dazu schauen wir uns die Unterschiede einmal näher an.

Wie unterscheidet sich Offline- zur Online-Besprechung?

Hier verschaffen wir uns einen Überblick über die relevanten Unterschiede. Für konkrete Lösungen, wie man diese Unterschiede ausgleicht oder sogar als Vorteile nutzt, verweise ich jeweils auf weitere Artikel.

Ort des Treffens

Bei Offline-Besprechungen suchen die Teilnehmer alle den gleichen Ort auf: ein Besprechungszimmer, ein Arbeitsraum oder gar ein Hotel oder Konferenzzentrum in einer fremden Stadt. Wir sind also alle am selben Ort und können die Infrastruktur vor Ort nutzen. Das gilt für die Veranstaltungstechnik (Flip-Chart, Pinnwand, Verstärker, Beamer, Aktenvernichter, etc.), aber auch für Toiletten, Raucherräume, Kantine, Küche und Bar.

Am Arbeitsplatz habe ich kein Problem, wenn wir eine Stunde oder nur 45 min. Mittagspause machen. Ich gehe einfach in die Kantine und in 20 Minuten habe ich etwas gegessen. Zuhause schaffe ich es mit Fertiggerichten (ich weiß: Schande über mich) gerade mal in 40 Minuten zu Essen und fühle mich dann, in Anbetracht der unaufgeräumten Küche, nicht gerade erholt. Es soll Kollegen geben, die schon allein aus diesem Grund ins Büro fahren und die Online-Besprechungen von dort aus machen.

Diese Argumente sprechen gegen die häusliche Umgebung:

  • alle teilnehmer müssen sich selbst Versorgen (Essen, Büromaterial, etc)
  • mögliche Störung durch Mitbewohner (alt, jung, Haustiere, Saugroboter!),
  • noch weniger Bewegung als im Büro,
  • schlechtere oder fehlende Ausstattung (Bürostuhl, Schreibtisch, etc.).
  • Arbeit und Freizeit verschwimmen immer mehr, die Arbeit dringt in das Zuhause ein

Auf der anderen Seite sprechen viele Dinge dafür, in der vertrauten Umgebung Zuhause arbeiten zu können, zumindest finde ich gut

  • meine Pakete selbst in Empfang zu nehmen
  • für Handwerker erreichbar zu sein
  • Hausarbeiten in kleinen Pausen, quasi nebenher zu erledigen (z.B. Waschmaschine laufen lassen)
  • sich um Haustiere kümmern zu können
  • zwischendurch Gymnastik oder ein Power-Nap zu machen
  • bequeme Kleidung zu tragen

Der Ort an dem ich einer Besprechung beitrete kann Vor- und Nachteile haben. Manche Aspekte sind einfach nachteilig (z.B. weniger Bewegung). Ich kann sie jedoch gut ertragen, wenn ich mir auch ein paar Vorteile bewußt gönne (z.B. kurze Gymnastikpause Zuhause, Einkaufen in der verlängerten Mittagspause).

Kampf mit der Technik

Mir ist es in einer Offline-Besprechung noch nie vorgekommen, dass ich spreche und mich keiner hören kann. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass jemand seinen Wortbeitrag mit der lästigen Frage „Kann man mich hören?“ begann. Okay, ich wurde einmal darauf hingewiesen, dass ich mit einem permanenten Stift auf das Whiteboard schreibe. 

Je mehr Technik ins Spiel kommt, um so mehr Aufmerksamkeit zieht sie auf sich. All das ist in Offline-Meetings quasi kein Thema:

  • Ton/Video hängt oder hat Aussetzer
  • Störgeräusche unbekannter Herkunft
  • Wie kann man das Video und das Mikrofon ein- und ausschalten?
  • Wie kann man jemanden dazu holen?
  • Wie funktionieren die Arbeitsmittel: Bildschirm teilen, elektronisches Whiteboard/Pinnwand, Dokumentenablage, Kanban-Board, etc.

Die Online-Welt kommt mit neuen Kompetenzen daher, die wir uns im Laufe der Zeit erwerben müssen. Auch wenn der Kampf mit der Technik für einige Zeit dominiert, so ist doch absehbar, dass wir alle einen Umgang damit finden werden.

Es erfordert ein wenig Übung und Demut, sich selbst in Online-Besprechungen regelmäßig stumm zu stellen. Doch wenn diese Kompetenz einmal erlernt ist, dann ist es für uns so selbstverständlich wie gelegentlich den Mund zu schließen.

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Einschränkungen durch die Technik

Die Besprechung läuft im Microsoft Teams. Alle Teilnehmer haben die Kamera und das Mikrofon eingeschaltet, ich sehe alle 16 Teilnehmer auf meinem Bildschirm. Doch wer spricht denn gerade? Die Software zeigt zwar an, wessen Mikrofon gerade Töne einfängt, doch das gilt auch für Atem- und Nebengeräusche. Also versuche ich, wie in einem Suchspiel, zu erkennen, welcher Mund sich bewegt und die Stimme zu erkennen. Allein das ist anstrengend, dabei habe ich mich noch gar nicht darauf konzentriert, was die Person gerade sagt.

Die Technik, die in der Kommunikation dazwischen geschaltet ist, hat folgende Einschränkungen:

  • Es gibt keine Räumlichkeit, ich kann die Richtung und Entfernung der Sprecher nicht orten, alle Geräusche kommen aus dem Lautsprecher
  • ich kann auch keine Person gezielt ansprechen, meine Worte werden bei allen Teilnehmern gleich wiedergegeben
  • Spontane Unterhaltung mit dem Nachbarn sind nicht möglich
  • Das Ohr kann Störgeräusche (z.B. ein offenes Fenster) aus einer anderen Richtung gut ignorieren. Die Technik gibt alle (Stör-) Geräusche gleichlaut wieder.
  • Es gibt keinen Augenkontakt: ich sehe nicht wer mich anschaut und kann auch keine Person gezielt ansehen. Entweder schaue ich in die Kamera und biete anderen an mir in die Augen zu schauen oder ich schaue jemanden in die Augen, dann schaue ich für andere aber weg. Der Augenkontakt funktioniert also auch in einer 2er Video-Konferenz rein technisch nicht.
  • Ich bekomme ein Video-Bild und kann dieses nicht beeinflussen: kann den Blickwinkel nicht ändern, die Schärfe und Helligkeit nicht anpassen
  • Ich kann die Kamera aus machen und weiterhin zuschauen und umgekehrt, ich kann von Teilnehmern gesehen werden, die ich selbst möglicherweise nicht sehe.
  • Die Wahrnehmung von Gestik und Mimik ist auf das beschränkt, was die Technik anbietet. Wenn es nicht im Bild ist oder kurz hängt, ist diese Wahrnehmung nicht möglich.
  • Kommunikation in mehreren Kanälen: Video und Chat-Nachrichten.
  • Es werden nur zwei Sinne (Ton und Bild) in der Besprechung geteilt angesprochen, die anderen Sinne (riechen, fühlen, schmecken, Haptik, Temperatur, …) sind rein lokal, mit diesen Sinnen nimmt jeder Teilnehmer etwas anderes wahr.

Die Einschränkungen durch die Technik macht die Besprechungen langsamer. Beispielsweise kann ein Moderator mit einer einfachen Handbewegung einem Teilnehmer das Wort erteilen. Oder ein Teilnehmer steht auf und winkt zum Abschied in die Runde. Online geht das unter, also gebrauchen wir Worte dafür. Dinge, die parallel laufen könnten, werden Online in einer Reihenfolge auf die Tonspur gebracht. Das nimmt der Besprechung Tempo und Dynamik - vor allem bei lebendigen Diskussionen.

Das gilt auch für gruppendynamische Prozesse. Diese laufen meist unterbewußt in jeder Besprechung mit. Jeder Teilnehmer muss für sich entscheiden, wie sicher es ist, einen Beitrag in die Runde zu geben. Dafür brauchen wir Wahrnehmungen, wie die anderen auf mich wirken und wie ich auf andere wirke. Wir haben Erfahrungswerte wie wir teils mikroskopisch kleine Wahrnehmung interpretieren müssen. Doch diese Wahrnehmungen sind ebenfalls technisch beschnitten. So dauert es länger bis wir uns ein Bild von der Gruppe machen können. Wenn wir Pech haben, ist unser Bild von der Gruppe wenig zutreffend. Diese Einschränkungen führen dazu, dass wir weniger Vertrauen entwickeln können und halten uns zurück.

Teilnehmer tendieren dazu sich in Online-Besprechungen zurück zu halten oder ganz zurück zu ziehen.

Veränderung der Interaktionsmuster

Aus Sicht der Teilnehmer und des Moderators ergeben sich Änderungen in der Arbeitsweise aus den oben erwähnten technischen Änderungen.

Bei einem Offline-Meeting gibt es vielfältige Möglichkeiten allein dadurch, dass Pinnwände, Whiteboard oder ein Flip-Chart zur Verfügung stehen. Man kann Teilnehmer einladen gemeinsam an einer Tafel zu Arbeiten, man kann die Tafel in zwei Bereiche Teilen (oder ein Flipchart-Papier an die Wand kleben) und dann spontan in zwei oder noch mehr Gruppen arbeiten.

Als Moderator überlege ich mir meist vorher, wie ich ein Besprechungsergebnis am besten erreichen kann und bereite mich darauf vor. Doch wenn es während der Besprechung zu unerwarteten Wendungen kommt, dann fällt es mir leicht meine Methode anzupassen. In Online-Besprechungen ist es ähnlich, doch benötige ich neben dem Service für die Video-Verbindung (Zoom, WebEx, Teams etc.) meist noch eine weitere Möglichkeit um eine gemeinsame Arbeitsfläche zu teilen (Mural, Miro, Deon, Conceptboard, etc.). Dieses muss ich vorbereiten, was mehr Zeit kostet, als ein paar Striche auf einem Whiteboard, einer Pinnwand oder Flip-Chart. Ausserdem kann ich während der Besprechung nicht mehr so einfach spontan die Methode wechseln.

Online-Besprechungen benötigen mehr Vorbereitung und erlauben weniger Spontanität beim Vorgehen.

Wenn ich mir diese Gedanken allerdings nicht mache, dann verkommen Besprechungen schnell zu langen Monologen mit Folienpräsentation. Als Teilnehmer einer solchen Monolog-Veranstaltung fühle ich mich als ob ich einsam vor einem Fernseher sitze. Ich werde mit Informationen versorgt, doch sämtliche Reaktionen darauf (z.B. ein Stöhnen, Klatschen, Gähnen) gehen nicht zurück in die Besprechung, sondern bleiben bei mir. Ganz ehrlich, dann mache ich am liebsten meine Kamera aus um mich umbemerkt meiner Bügelwäsche zu widmen.

Vermeide todlangweilige Monologe oder Folienpräsentationen - vor allem in Online-Besprechungen.

In Online-Besprechungen erhalte ich kaum Rückmeldung, wie ich auf andere wirke. Weder als Moderator noch als Teilnehmer. Wenn die Kameras und die Mikrofone aus sind, dann bekomme ich gar keine Rückmeldung. Es ist gespenstisch, wenn man Online mit 127 Teilnehmern spricht und absolut keine Resonanz erhält. Länger als 5 min. halte ich das nicht aus, dann benötige ich irgend eine Reaktion von den Teilnehmern. Das scheint anderen kein Problem zu machen, die können auch locker 20 min. Monolog halten.

Selbst wenn die Kameras der Teilnehmer an sind, kann ich nicht feststellen, ob die Teilnehmer so konzentriert schauen, weil sie mir zuhören oder weil sie gerade ihre E-Mails lesen.

Animiere die Teilnehmer öfter zu einer Reaktion - z.B. einen Emoji in den Chat zu schreiben, in die Kamera winken etc.

Doch Vorsicht, schnell kann man die Reaktionen der Teilnehmer falsch interpretieren. Nur weil ein Teilnehmer zum Beispiel kurz lüften möchte oder an die Haustüre geht, ist damit nicht gesagt, dass er oder sie meine Ausführungen uninteressant findet. In der Umwelt der Teilnehmer können ja Dinge vorkommen, die ich nicht ahnen kann: Haustiere auf Zerstörungskurs, Babys ziehen an der Tischdecke, Kinder finden ihre Schuhe nicht, Saugroboter usw. Eine Kollegin moderiert ihre Teambesprechungen selbst. Sie hat offenbar die Erwartung, dass alle Teammitglieder gut in der Kamera zu sehen sind. Personen werden sofort angesprochen, wenn sie den Blick abwenden oder gar aus dem Bild gehen. Das mag durchaus fürsorglich gemeint sein, doch wirkt es auf die Teilnehmer eher nach Videoüberwachung im eigenen Heim.

Tip: Erlaube den Teilnehmern in Online-Besprechungen großzügig, dass sie sich zeitweilig zurückziehen (Kamera aus oder aus dem Bild).

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Menschen sind auch Online noch Menschen. Wenn sich zwei Kollegen in der Pause gerne unterhalten, dann tun sie dies auch Online. Allerdings gibt es in der Online-Pause keine Gruppenbildung, wo sich kleinere Gruppen zusammen unterhalten. Online können alle Teilnehmer alle Pausengespräche hören. Vielleicht kommen daher manchmal gar keine Pausengespräche auf, dann herrscht Stille bis der Moderator die Pause beendet. Der sonst so nützliche Austausch in den Pausen entfällt dann leider. Auch laufe ich Zuhause auf dem Weg zur Toilette kaum anderen Kollegen über den Weg. Diese zufälligen Begegnungen haben mich schon oft mit dem aktuellen Flurfunk versorgt oder auch einfach nur Abwechslung und Freude bereitet. 

Fazit

Die Zusammenarbeit Offline in Besprechungen kennen wir schon viele Jahre. Die sozialen Regeln dafür haben wir uns erarbeitet, wir kennen sie und fühlen uns damit vertraut. Neue Teammitglieder erlernen diese sozialen Regeln schnell, sie können sich an den anderen Teammitgliedern orientieren. Die sozialen Regeln sind Teil der Kultur eines Teams.

Es gibt so viele Änderungen durch Online-Besprechungen, viele davon sind uns nicht bewußt. Grundsätzlich haben wir Menschen die Fähigkeit prima mit neuen Situationen umzugehen. Dazu müssen wir einerseits mit der Technik vertrauter werden und andererseits uns regelmäßig die Zeit nehmen, um über die verschiedenen Wahrnehmungen bei der Online-Zusammenarbeit zu sprechen und mit der Gruppe die sozialen Regeln für Online-Besprechungen zu erarbeiten. 

Vermutlich liegt es an der Kulturveränderung durch Online-Besprechungen, die diese Formate so anstrengend und ermüdend machen.

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