Abstimmungsregeln, die bei Gruppenentscheidungen hilfreich sind

Geschrieben von Peter Klar

Ich stand im Möbelhaus, genauer in der Küchenabteilung. Ich brauchte eine neue Bratpfanne, wenn es nur eine Pfanne gegeben hätte, wäre es leicht gewesen. Aber da gab es dutzende Pfannen: unterschiedlicher Größe, Beschichtung, Preis. Das sind schon Entscheidungen, die mir nicht leicht fallen.

Man stelle sich vor, ich wäre nicht allein im Möbelhaus, sondern mit allen Mitbewohnern des Hauses, weil wir uns auf eine Pfanne einigen müssten. Ja, das klingt irre, aber in Unternehmen ist es doch oft so.

Jeder bevorzugt ein anderes Produkt, wie soll man da als Gruppe zu einer guten Entscheidung kommen? Diese Frage beschäftigt mich schön länger, inzwischen habe ich mit verschiedenen Entscheidungsverfahren Erfahrung gesammelt.

Die Frage lautet also: Wie kann man in der Gruppe entscheiden? Gruppen entscheiden häufig, ohne dass die Gruppe sich des Entscheidungsverfahrens bewußt ist. Am häufigsten sind Entscheidungen mit einfacher Mehrheit und Konsens-Diskussionen. Eine bewußte Auswahl des Entscheidungsprozesses führt zu besseren Entscheidungen.

Wie viele Möglichkeiten kennst du, um eine Gruppenentscheidung zu treffen? Schau dir die hier aufgelisteten Verfahren in Ruhe an, vielleicht kannst du noch etwas Neues für dich entdecken.

Um die verschiedenen Verfahren besser verstehen zu können, werden sie an einem einfachen Beispiel demonstriert.

Ein Team von 5 Personen (A, B, C, D und E) soll entscheiden welcher der 4 Bewerber (B1 bis B4) als Verstärkung des Teams eingestellt werden soll.

Wenn alle Teammitglied den gleichen Kandidaten bevorzugen, dann wäre das Entscheidungsverfahren egal, es dürfte immer das selbe Ergebnis heraus kommen. Aber wenn sich die Gruppe nicht einig ist, dann können die Ergebnisse bei unterschiedlichen Entscheidungsverfahren auch unterschiedlich ausfallen.

Einfache Mehrheitsentscheidung

Dieses Verfahren kennen wir alle. Hier bedeutet dies, dass jeder Teilnehmer eine Stimme hat, der Bewerber mit den meisten Stimmen wird eingestellt.

Es gibt viele Varianten von Mehrheitsentscheidungen, daher macht es Sinn zu beginn die Abstimmungsregeln zu klären:

  • Absolute Mehrheit oder reicht eine einfache Mehrheit? Bei der absoluten Mehrheit muss ein Bewerber mindestens die Hälfte der möglichen Stimmen bekommen, in unserem Beispiel 3 von 5 Stimmen. Eine absolute Mehrheit sorgt für eine bereite Zustimmung, man muss es sich aber leisten können, dass keine Entscheidung zustande kommt. Wenn sich nicht mindestens 3 Personen auf eine Person einen Bewerber einigen können, würde gar niemand eingestellt werden.
  • Wird eine Mindestzahl an Stimmen verlangt? Das ist die Abschwächung der absoluten Mehrheit, man könnte verlangen, dass ein Bewerber mindestens zwei Stimmen benötigt um gewählt zu werden.
  • Sind Enthaltung erlaubt?
  • Wählen wir geheim oder offen?

Oft ist es sinnvoll zwei Wahlgänge durchzuführen:

  1. Wahlgang - Erreicht ein Bewerber die absolute Mehrheit, ist die Wahl beendet. Falls keine absolute Mehrheit zustande kommt:
  2. Wahlgang – Es reicht die einfache Mehrheit zwischen den beiden Bewerber, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen hatten.

Ich gehe davon aus, dass du bereits viel Erfahrung mit Mehrheitsentscheidungen sammeln konntest, daher gleich weiter...

Punkten

Punkten ist ein Spezialfall der Mehrheitsentscheidung, bei der jeder Teilnehmer mehr als eine Stimme hat. Wobei auch hier alle Stimmen das gleiche Gewicht haben.

Der Begriff "Punkten" kommt daher, dass man jedem Teilnehmern die gleiche Anzahl Klebepunkte gibt und diese anschließend die Punkte auf die Alternativen an einem Flip-Chart kleben können.

  • Darf man mehrere oder gar alle Punkte auf eine Alternative setzen?
  • Bei offener Abstimmung: Gibt es eine Reihenfolge in der wir die Punkte abgeben?
  • Wie viele Punkte erhält jeder Teilnehmer? Um eine Reihenfolge zu bilden, kann folgende Faustregel genutzt werden: Anzahl der Alternativen durch 2 + 1. Will man die Reihenfolge von 12 Themen bilden, dann würde jeder Teilnehmer 7 Klebepunkte erhalten.

Konsensentscheidung

Im engeren Sinne ist das ein Spezialfall der Mehrheitsentscheidung bei der die Entscheidung einstimmig fällt. Da dies in unserem Beispiel nicht die Ausgangssituation ist, wird es einen Meinungs- und Argumente-Austausch brauchen.

Bei der Konsens-Entscheidung suchen alle Teammitglieder so lange nach einer Lösung, bis dieser alle zustimmen können. In der Regel besteht die Lösung aus einem Kompromiss, dieser stellt oft eine schwache Lösung dar, dafür kann sich der Kompromiss einer hohen Akzeptanz bei allen erfreuen.

Konsens ist ein Entscheidungsverfahren, dass wir alle kennen und ohne Nachdenken anwenden können. Auch wenn es nicht das optimale Entscheidungsverfahren ist, so wird es oft angewendet, weil es jeder kennt und nicht erklärt werden muss.

Vor allem Führungskräfte fürchten sich vor Diskussionen bis zum Konsens, weil

  1. sie oft nicht zum Erfolg führen und abgebrochen werden
  2. sie viel Zeit beanspruchen.

KO-System

Ist eine weitere Variation der Mehrheitsentscheidung. Dabei wird nicht sofort über alle Bewerber abgestimmt, sondern diese paarweise zur Abstimmung gebracht. Also Bewerber 1 gegen B2 und B3 tritt gegen B4 an. In der dritten Abstimmung treten die beiden Sieger der Vorrunde gegeneinander an.

Bei einer ungeraden Anzahl kann man entweder einen Bewerber gleich in die nächste Runde schicken oder man entscheidet ausnahmsweise aus drei Bewerbern.

Das Verfahren kann sehr unterschiedlich ablaufen, je nachdem in welcher Reihenfolge die Bewerber aufeinander treffen. Daher ist es fair, wenn die Startreihenfolge ausgelost wird.

Dieses Verfahren habe ich zweimal ausprobiert. Meiner Erfahrung nach war das Ergebnis enttäuschend. Wir hatten 8 Alternativen aus denen wir eine auswählen wollten. Es müssen 7 Abstimmungen vorgenommen werden, das ist schon fast ermüdend. Und am Ende kam ein Ergebnis heraus, das wir vermutlich auch mit zwei Wahlgängen (s.o.) erreicht hätten.

Wahl mit Condorcet-Methode

Bei der Condorcet-Methode müssen alle Teilnehmer eine Reihenfolge der Bewerber bilden. Die Stimmabgabe ich noch recht einfach, doch dann wird mathematisch eine Wahl mit einfach Mehrheit jeder gegen jeden simuliert. Am Ende gewinnt der Bewerber, der alle diese einfachen Mehrheiten gewinnen konnte. Unter Umständen erfüllt kein Bewerber diese Bedingung.

Im betrieblichen Umfeld kenne ich keine Anwendung dieses Wahlverfahrens. Das ist eher etwas für große Organisationen mit Basisdemokratischen Ambitionen. Die Piratenpartei wendet intern ein solches Wahlverfahren an Verfahren an (weitere Informationen auf Wikipedia).

Würfeln

Zunächst sorgt der Vorschlag, die Entscheidung auszuwürfeln für Heiterkeit, weil es sich dabei um einen Scherz handeln muss.

Bei genauerer Betrachtung ist die Entscheidung per Würfel manchmal gar nicht so schlecht. Aber nur dann, wenn sich den Alternativen durch das Team jetzt nicht bewerten lassen.

Wenn das Team die Vor- und Nachteile der Alternativen nicht für diese Entscheidung bewerten kann, dann kann man die Alternativen einfach durchnummerieren und den Würfel entscheiden lassen. Zu würfeln hat Vorteile:

  • es geht richtig schnell
  • es ist spannend und kann Spaß machen
  • die Entscheidung durch das Schicksal ist einfacher zu akzeptieren als wenn es die Gruppe oder die Führungskraft entschieden hätte

Entscheiden, wie entschieden wird

Es gibt noch einige - durchaus sehr interessante - Entscheidungsverfahren, diesen habe ich einen eigenen Artikel gewidmet (jetzt zu den Entscheidungsverfahren ohne Mehrheitsentscheidung).

Mit folgendem Vorgehen kommst du zum passenden Entscheidungsverfahren:

Entscheidungsdiagramm

Bislang haben wir das Timing der Entscheidung noch gar nicht betrachtet. In der Regel werden Entscheidung eher zu spät als zu früh getroffen. Dennoch solltest du dir überlegen, ob eine Fragestellung jetzt überhaupt zur Entscheidung ansteht. Falls nicht, schiebe die Entscheidung einfach auf: ein effizienteres Entscheidungsverfahren gibt es nicht.

Bevor man sich in nutzlose Diskussionen stürzt, solltest du dir sicher sein, dass es dem Team gelingt die Optionen zu bewerten. Wenn die Zukunft sehr ungewiss ist oder schlicht das Erfahrungswissen fehlt, dann kann man die Entscheidung würfeln.

Als nächstes steht die Entscheidung an, ob die Entscheidung wirklich von der Gruppe getroffen werden sollte. Wenn eine einzelne Person entscheiden kann, dann ist dies in der Regel effizienter.

Wenn wirklich die Gruppe entscheiden soll, dann gibt es vier grundsätzliche Optionen:

  • Mehrheitsabstimmung (in allen Varianten, s.o.) wenn die Optionen fest stehen und das Team ohne Diskussion zum Ergebnis kommen möchte
  • Konsens (s.o.), wenn es wichtig ist, dass alle Teammitglied die Entscheidung befürworten
  • Integrativer Konsent (die Beschreibung findest du hier), wenn es eine rational geprägte Entscheidung ist oder
  • Systemisches Konsensieren (die Beschreibung findest du hier), wenn das Bauchgefühl eine wesentliche Rolle spielt.

Wie auch immer ihr die Entscheidung trefft, frage dich ab und zu auch, ob ihr das passende Entscheidungsverfahren angewandt habt. Aus dieser Rückblickenden Betrachtung kannst du am meisten lernen.

Weitere Artikel lesen:

Praktische Tipps zur Einführung der OKR Methode

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