Wenn eine Führungskraft eine Sache gut beherrschen muss, dann ist es die hohe Kunst der Delegation. Während manche Führungskräfte alle Aufgaben einfach an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterreichen und damit delegieren, wollen andere Führungskräfte alle selbst machen. In diesem Artikel geht es um die letzteren.
Warum delegieren Vorgesetzte nicht? Auch Vorgesetzte haben diese Antreiber in sich: sei perfekt, streng dich an, mach’s Anderen Recht, beeil dich, sei stark. Ist ein Antreiber besonders stark ausgeprägt, dann führt Delegation dazu, dass Vorgesetzte diesen Antreiber nicht mehr ausreichend bedienen können, dies löst unbewußte Ängste aus.
Es sind also psychologische Effekte, die in der Regel eine Delegation verhindern. Es ist hilfreich diese besser zu verstehen, wenn man einen guten Umgang damit finden will.
Die 5 Delegationstypen von Führungskräften
Hier möchte ich die fünf Grundtypen von Delegationsmuffel vorstellen. In der Natur kommen sie nur selten in Reinkultur vor, rechne damit, dass dir entsprechende Mischtypen begegnen.
Alle Typen haben gemeinsam, dass die Vermutungen anstellen, was passieren würde, wenn sie eine Aufgabe delegieren und diese vermuteten Folgen lösen bei ihnen Ängste aus.
Dabei ist dieser Vorgang häuft in mehrfacher Hinsicht unbewusst: die Führungskraft kennt ihre inneren Antreiber nicht bewußt, die Folgen entspringen eher der Fantasie als der rationalen Überlegung und die Ängste werden als dumpfe Gefahr empfunden. Wenn all das mit der möglichen Delegation verknüpft ist, dann ist kein Wunder, dass die Führungskraft die Delegation vermeidet.
Neben der reinen Beschreibung der verschiedenen Typen der Delegationsverweigerung folgen auch Hinweise, wie man mit ihnen gut auskommen kann.
Typ 1: Wenn man nicht alles selber macht
Diese Führungskraft hat einen ausgeprägten Perfektionismus. Dahinter stecken Glaubenssätze wie: „Ich habe Erfolg, wenn ich fehlerfreie Leistung liefere“. Diese Führungskräfte definieren sich sehr stark über ihre Leistung und suchen damit nach Erfolg, Selbstbestätigung und Anerkennung durch andere.
Umgekehrt treibt diese Führungskräfte die Angst vor Misserfolg, Versagen und Fehlern an.
Bei der Delegation geben sie die Kontrolle über die Ergebnisse ab. Sie können nicht mehr direkt beeinflussen, ob ein fantastisches, ein mittelmäßiges oder ein lausiges Ergebnis heraus kommt.
Möglicherweise offenbart die Delegation aber auch, dass die Leistung anderer ebenfalls genial ist. Damit wäre die Alleinstellung als Klassenbester gefährdet.
Wie kannst du diesem Delegation-Typ die Delegation schmackhaft machen?
- Gib ihm möglichst viel Kontrolle über das Ergebnis, z.B. über regelmäßige Besprechung von Teilergebnisse, über eine finale Freigabe, häufige Rückmeldungen. Ob du den richtigen Delegation-Typ vermutet hast, weißt du, wenn die Führungskraft diese Einflussmöglichkeiten dankbar annimmt.
- Mache der Führungskraft glaubwürdig klar, dass keine Resultat das Team verlassen, die von der Führungskraft nicht korrigiert und freigegeben wurden. So kann die Führungskraft verhindern, dass (in ihrer Bewertung) minderwertige Ergebnisse nach außen gehen. Aber auch, dass die Leistung möglicherweise ihr nicht zugeschrieben wird.
Typ 2: Ich mach’ das, dafür werde ich bezahlt.
Die Führungskräfte dieses Typs müssen stets den höchsten Einsatz zeigen. Sie setzten sich völlig überhöhte Anforderungen an eigenem Einsatz. Erfolge, die man einfach erringen konnte, sind nichts wert.
Nach den eigenen Glaubenssätzen, verdient nur Anerkennung, wer das Maximum an Einsatz und Kraft gegeben hat. Die Arbeit darf also gar nicht leicht von der Hand gehen. Diese Führungskräfte sind oft sehr lange am Arbeitsplatz anzutreffen, haben viele Aufgaben auf dem Schreibtisch, und wirken meist angespannt, weil sie immer ihre Anstrengung bei der Arbeit zeigen wollen.
Angst macht diesen Führungskräfte, sich selbst keinen Wert mehr zugestehen zu können, wenn sie sich bei der Arbeit nicht mehr verausgaben.
Delegiert eine solche Führungskraft zu viele Aufgaben, dann könnte ja die verbleibende Arbeit mit weniger Anstrengung erledigt werden. Das können sie sich selbst nicht erlauben, weil sie sich dann wertlos fühlen.
Wie kannst du diesem Delegation-Typ die Delegation schmackhaft machen?
- Dieser Typ an Führungskraft wird verstehen, wenn du offenbarst, dass es dir nicht gut geht, weil du zu wenig Arbeit hast. Sie wird sich Aufgaben dennoch nicht einfach wegnehmen lassen. Da hilft die Aussicht, dass die Führungskraft durch deine Entlastung nun weitere wichtige Aufgaben annehmen kann.
- Es kann helfen den Einsatz der Führungskräfte auch dann noch zu bewundern, wenn diese nicht extrem übersteigert ist.
Typ 3: Ich möchte meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht überfordern.
Der Typ an Führungskräften versucht es allen Anderen recht zu machen - auch den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Sie tragen den Anspruch in sich, dass es für die Anderen stimmen muss. Andere müssen Gefallen an ihrer Person und ihrem Handeln finden.
Finden andere Personen weniger oder kein Gefallen an der Führungskraft, dann empfinden diese eine starke eigene Entwertung.
Diese Führungskräfte haben ständig die Angst davor, dass sie kritisiert oder abgelegt werden.
Diese Führungskräfte scheuen sich vor Delegation, weil sie befürchten, dass dies für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwas Unangenehmes ist und das auf sie als Überbringer der Delegation abfärbt.
Wie kannst du diesem Delegation-Typ die Delegation schmackhaft machen?
- Zeige der Führungskräfte, dass du dich über mehr Verantwortung und Aufgaben freust.
- Bedanke dich für eine klare Delegation und äußere inhaltliche Kritik getrennt davon.
Typ 4: Wenn ich es selber mache, dann geht es schneller
Diese Führungskraft steht total auf Schnelligkeit. Wenn sie selbst etwas erarbeiten, dann werden die Ergebnisse immer in Rekordzeit vorliegen.
Diese Führungskräfte sind häufig ungeduldig, sie wollen schnell zur Sache kommen und wollen keine langen Ausführungen zuhören. Zunächst wollen sie den anderen die Zeit nicht stehlen und beeilen sich selbst. Als Führungskräfte stecken sie mit ihrer Erwartung an Geschwindigkeit auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an.
Dahinter steckt die Angst vor Zurückweisung, wenn sie nicht schnell genug zum Punkt kommen.
Bei der Delegation kann möglicherweise schon die Übergabe der Arbeit zu langsam sein oder eben die Sorge, dass die Arbeit nicht schnell genug erledigt wird und Andere auf die Ergebnisse warten müssen.
Wie kannst du diesem Delegation-Typ die Delegation schmackhaft machen?
- Gehe immer frisch und mit voller Aufmerksamkeit in die Gespräche mit der Führungskraft.
- Erfasse die Aufgabe möglichst rasch und vermeide Rückfragen und Detailklärungen, die nicht unbedingt nötig sind.
- Kläre bis wann ein Resultat erwartet wird und was die Konsequenz ist, wenn es nicht rechtzeitig vorliegt. Letzte Frage könnte für Entspannung sorgen, wenn die erkennbaren Konsequenzen nicht dramatisch sind.
Typ 5: Ich schaff’ das schon
Dieser Typ von Führungskraft möchte einen möglichst hohen Grad an Selbstbestimmung behalten und Abhängigkeiten reduzieren, so können sie Stärke zeigen.
Im (Berufs-)Leben wollen sie Stärke zeigen, sie sind nicht klein zu kriegen und stehen immer wie ein Fels in der Brandung. Sie fühlen sich nur sicher, wenn sie unabhängig agieren können und nicht auf Hilfe Anderer angewiesen sind.
Diese Führungskräfte haben Angst von der Hilfe anderer abhängig zu sein.
Wenn man eine Delegation als ein Aufruf zur Unterstützung und Hilfeleistung sieht, dann wird es diesen Führungskräfte schwer fallen.
Wie kannst du diesem Delegation-Typ die Delegation schmackhaft machen?
- Größere Pakete zu delegieren kann helfen, dass die Führungskraft mehr Unabhängigkeit empfindet. Statt viele kleiner Delegationen entsteht dann das Gefühl der Abhängigkeit nur einmal.
- Vielleicht gelingt es dir, der Führungskraft mit der Delegation klar zu machen, dass andere Tätigkeiten für die Selbstbestimmung der Führungskraft viel wichtig ist.
Umgang mit Führungskräften, wenn alles nicht hilft
Hinter der Vermeidung von Delegation stecken ganz menschliche Glaubenssätze und Bedürfnisse. Vielen Führungskräfte würde es gut tun, die Themen mit einem Business Coach aufzuarbeiten. Darauf muss die Führungskraft allerdings alleine kommen, als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter kann ich das meiner Führungskraft schlecht einreden!
Den wenigsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird es selbst gelingen an diesen menschlichen Eigenschaften ihrer Führungskraft zu arbeiten. Ich würde immer davon abraten, die eigene Führungskraft zu coachen. Eine wichtige Voraussetzung für jeden Coach ist die Unabhängigkeit vom Coachee.
Wenn du mit obigen Tipps nicht weiter kommst, dann kannst du dich immer noch selbst coachen lassen. Vielleicht gelingt es dir dann
- die Situation umzudeuten, so dass du gut damit klar kommst („love it“)
- das Verhältnis zur Führungskraft positiv zu beeinflussen („change it“)
- das Verhältnis zu beenden, indem zu eine andere Arbeit (innerhalb oder ausserhalb des Unternehmens) findest („leave it“)
Welchen Typ hast du als Führungskraft und wie gehst du damit um? Ich freue mich, wenn du einen Kommentar schreibst.