Nachdem so erfolgreiche Unternehmen wie Intel, Google oder Zalando mit der Methode Objectives und Key Results (OKR) arbeiten, wollen immer mehr Organisationen OKR als Methode nutzen.
Doch die ersten Schritte laufen nicht immer rund. Daher möchte ich hier teilen, was ich bei der Einführung der OKRs gelernt habe.
Meine 7 wertvollsten Tipps lauten:
1. Tipp: Mit nur einem OKR-Set starten
Die Methode OKR kann von einem kleinen Team bis zu ganzen Konzernen angewandt werden. Schon auf der Team-Ebene kann man auf die Idee kommen, dass jedes Teammitglied seine persönlichen Objectives und Key Results aus dem übergeordneten OKR-Set ableitet.
Macht das nicht!
Zumindest nicht in den ersten beiden Zyklen. Sobald es mehrere OKR-Sets gibt, stellt sich die Frage, wie diese zusammen spielen.
Es ist leicht zu recherchieren, dass die Key Results zu Objectives der Ebene darunter werden sollen. Das ist zu einfach gedacht, weil die Organisation in meinem Umfeld nicht so streng hierarchisch funktionieren. Mitarbeitende und ganze Teams arbeiten ja nicht immer allein ihrer Führungskraft zu.
Ausserdem wird es auf dem Weg nach unten immer schwerer, aus den Key Results inspirierende Objective der Ebene darunter zu machen.
Auch dieser Hinweis ist richtig, aber schwer umzusetzen: jede Ebene bildet zwei Objectives aus den Key Results der Ebene darüber und ergänzt weitere 1-3 Objectives. Nach dem Motto 40% kommen von oben 60% von unten.
Das kann gut funktionieren, wenn die Organisation sich bereits an OKRs gewöhnt hat und die Zyklen der verschiedenen Ebenen aufeinander abgestimmt sind. Zunächst erzeugen solche Ansprüche eher Druck und schließlich Frust.
Es ist daher eine gute Idee mit einem OKR-Set für alle zu starten. Zu Beginn wird allein die Kommunikation, was sind OKRs und wie funktionieren sie, im Mittelpunkt stehen. Dann wird man den Schwerpunkt auf die Ziele legen, so dass jeder in der Organisation versteht, was in den kommenden Wochen vorrangig ist. Auch ohne OKR-Methodik werden sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überlegen, wie sie diese Ziele unterstützen können.
Sobald die grundlegenden Prinzipien verstanden und angewandt werden, ist die Organisation bereit mit mehreren OKR-Sets umzugehen, die dann synchronisiert werden.
2. Tipp: Einfach mal machen und lernen
Man kann aus den OKRs eine Wissenschaft und einen Kult machen. Dabei geraten aber die Vorteile der OKR-Methode unter die Räder. Die OKR-Methode ist nützlich, weil:
- OKRs fokussieren die Aufmerksamkeit und Anstrengungen im Unternehmen
- OKRs inspirieren und regen zur gemeinsamen Lösungssuche an
Das erklärt den Erfolg der OKR-Methode, weil in Organisationen der Fokus oft nicht bewußt, klar und transparent ist. Und die Organisationsstrukturen mit ihren strengen Verantwortungen fördern nicht gerade kreative, innovative und andersartige Lösungen über Team-, Abteilungs- und Bereichsgrenzen hinweg.
Es ist schön, wenn man eine Methode möglichst originalgetreu einsetzt. Dennoch bin ich überzeugt, dass man auch mal beide Augen zudrücken darf, wenn dies obigen Grundsätzen nicht widerspricht.
Es muss nicht immer ein Objective sein, das dem Muster-Aufbau folgt oder ein wöchentlich meßbares Key Result. Ebenso wenig muss ein OKR-Zyklus immer mit den Quartalen eines Jahres zusammenfallen. Das sind alles gute Praktiken, aber keine Bedingungen!
Lass deine Kolleginnen und Kollegen einfach mit den Formaten, Frequenzen, Formulierungen etc. experimentieren. Erkenntnisse, die eine Gruppe sich in der Retrospektive erarbeitet, wirken ohnehin viel stärker als die aus Büchern.
Je mehr die OKR Methode verändert und variiert wird, desto wichtiger ist die Durchführung einer Retrospektive. Im Gegensatz zum Review geht es bei der Retrospektive nicht um die erreichten Ergebnisse, sondern
- um die Qulität der Objectives und Key Results und
- das Vorgehen entlang des OKR Zyklus.
Im Mittelpunkt der Retro steht die Frage: "was haben wir gelernt?". Und schließlich welche Schlüsse ziehen wir daraus für den nächsten OKR Zyklus?
Alle Praktiken, die sich als nützlich erweisen, werden zum Markzeichen der eigenen OKR-Implementierung erhoben. Und alle hinderlichen Praktiken werden verändert oder abgeschafft. Hin und wieder können Impulse durch Berater nützlich sein.
3. Tipp: Vermeide Projektmanagement-Denke
Vielleicht liegt es daran, dass ich viel mit Projektorganisationen zu tun habe und in anderen Organisation ist das kein Thema. Jedenfalls werden OKRs schnell als Projektmanagement-Werkzeug mißbraucht und damit kaputt gemacht.
Die Überlegung geht so: Wir klären zunächst, was wir erreichen wollen. Das schreiben wir schon mal als Objective auf. Dann fallen uns spontan die notwendigen Teilschritte ein, die wir gehen müssen um zum Objective zu kommen: z.B. ein Konzept, eine Überprüfung, dann die Umsetzung.
Diese Denkweise ist leicht daran zu erkennen, dass die einzelnen Resultate nicht für sich stehen, sondern aufeinander aufbauen. Zuerst müssen wir uns um Key Result 1 kümmern, dann um Key Result 2 usw.
Was zunächst sehr logisch und richtig erscheint entspricht NICHT dem Geiste der OKR-Methode. Die Key Results werden zu Arbeitspaketen und reduzieren damit die Organisation zu einer Ausführungsmaschine. Die wöchentlichen Fortschrittsmeetings werden zu Kontrolle, ob wir im Plan liegen. Wer das machen möchte - gerne, aber dann arbeitet lieber mit einem Projektplan und Gantt-Diagramm und nennt es nicht OKR!
Key Results sind keine Teilergebnisse!
Ein Key Result ist ein eigenständiges Ergebnis, das zum Objective gehört. Es ist ein Ergebnis und kein Vorhaben, kein Teilschritt, keine Bemühung. Das Resultat macht keine Aussage darüber, was zu tun ist, um zu diesem Resultat zu kommen.
Beispiel
Objective: Alle Mitarbeitenden kennen die Leistung, die wir Kunden anbieten.
Mit der Projekt-Denkweise würde man schnell auf folgende Nicht-Key-Results kommen:
- Erstelle eine Präsentation aller Produkte
- Veranstalte 8 Termine zur Vorstellung der Produkte für die Mitarbeitenden
- Übernehme die aktuellen Projekte auf die Intranet-Seite unserer Projekte
- Schreibe regelmäßige E-Mails um alle daran zu erinnern, die Projektliste anzuschauen.
Keiner dieser Punkte drückt aus, was man wirklich möchte. Das sind alles sinnvolle - aber eben keine zwingenden - Aktivitäten, die dem Objektive dienen. Sie sind die Antwort auf die Frage, was man tun sollte (oder könnte).
Um zu den Key Results zu kommen, sollte man sich eher fragen: woran erkenne ich, dass wir das Objective erreicht haben? Mit dieser Fragestellung könnten dann folgende Key Results entstehen:
Key Result 1: Alle Mitarbeitenden kennen unsere Produktlinien und können alle Produkt den Produktlinien zuordnen.
Key Result 2: Die Übersicht der Projekte im Intranet wird 50% häufiger aufgerufen.
Der Vorteil diese Key Results ist, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die etwas dafür tun wollen, selbst nachdenken dürfen, welches Vorgehen und welche Aktivitäten geeignet sind. Damit ist mehr Gehirnmasse, mehr Wissen und mehr Erfahrung in die Erreichung der Objectives einbezogen.
4. Tipp: Mehr Transparenz wagen
Natürlich sind wir alle gerne immer erfolgreich und fehlerfrei. Auch wenn uns allen bewußt ist, dass dieser Anspruch unrealistisch ist. Gerade in Führungsteams nehme ich eine große Zurückhaltung war bezüglich einer offenen und ehrlichen Kommunikation der (ausbleibenden) Fortschritte.
Ganz bewußt hatte Google entschieden, dass die Key Results gar nicht zu 100% erreicht werden sollen. Der Anspruch wird so hoch angesetzt, dass ein Erreichungsgrad von 60%-80% als großer Erfolg angesehen werden kann. Werden über 80% erreicht, dann waren die Ziele nicht anspruchsvoll genug definiert.
Über diese Praktik kann man streiten, bestimmt hat sie auch ihre negativen Auswirkungen. Sind die Erwartungen jedoch bei 100%. Dann werden 90% nicht als Erfolg gefeiert, sondern als "Ziel knapp verfehlt". Auch eine Quote von 70% ist doch schon ein erstaunlicher Fortschritt, wirkt jedoch wie das Versagen des Teams.
Unabhängig von der Prozentzahl, ist es hilfreich, wenn jeder Fortschritt als solcher gefeiert wird. Weniger als erwartet getan zu haben, ist immer noch viel mehr als gar nichts getan zu haben!
Erst wenn diese Haltung im Team entstanden ist, entsteht auch die Bereitschaft die Fortschritte oder ihr Ausbleiben vollkommen offen zu legen.
Diese Offenheit ermöglicht und fördert wiederum die Kommunikation und die Bereitschaft Hilfestellung für ein in Not geratenes Ziel zu leisten. Das ist der Geist und die Stärke von OKR: die Kräfte in der Organisation bündeln um gemeinsam an den Zielen zu arbeiten. Ohne Transparenz ist dies schlicht nicht möglich!
Die Transparenz kann man erzeugen, indem das OKR Board für alle sichtbar an der Wand hängt, im Intranet prominent platziert ist oder Gegenstand der regelmäßigen Unternehmenskommunikation ist.
5. Tipp: Volle Inspiration statt Frustration
In Tipp 3 hatte ich bereits dargestellt, dass es nicht darum geht, die Objectives in einzelne Schritte herunter zu brechen. Hier gehe ich noch einen Schritt weiter.
Die Key Results beschreiben woran ich das Erreichen des Ziels erkennen kann:
- Die Key Results sind nicht eindeutig: es könnte auch andere Key Results geben
- Die Key Results sind nicht vollständig: die vollständige Abarbeitung der Key Results garantiert noch lange nicht die Zielerreichung. Die Summe der Key Results muss nicht präzise dem Objective entsprechen!
Die beiden Einschränkungen sollten die Suche nach Key Results leichter machen.
Auch hier ist die Organisation mit einer Unschärfe konfrontiert. Doch liegt genau in dieser Unschärfe die Freiheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Mitdenken.
Die Erwartung ist eben nicht die Abarbeitung der Key Results, sondern diese immer mit dem Blick auf die Objectives anzugehen. Lieber weniger Results, aber diese zahlen auf das Objective ein, als alle Key Results sind formal erzeugt, aber man ist dem Objective kein bisschen näher gekommen.
6. Tipp: Andere Zielsysteme zurück bauen
Bei aller Inspiration, werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dennoch keine Lust haben, an den OKRs in ihrer Freizeit zu arbeiten.
Oft sind schon KPIs, Jahresziele, Zielvereinbarungen etc. vorhanden. Wenn diese zu Auslastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen, dann ist keine Zeit und Energie mehr um an den OKR zu arbeiten.
Aus dem Anspruch den OKR im Unternehmen Vorrang einzuräumen wird für die Belegschaft eine böse Falle:
Alle müssen sich entscheiden, ob sie im bestehen Zielsystem ihre Leistung erbringen und dafür einen Bonus kassieren oder ob sie den wichtigen Dingen um Unternehmen dienen sollen und dafür Abstriche in der Leistungsbewertung hinnehmen.
Beide Alternativen sind unschön. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diesem Dilemma ausgesetzt werden, werden auf die bewährten Instrumente vertrauen und den OKR den Rücken zuwenden.
Da hilft das Gleiche wie im Kleiderschrank Zuhause: wenn neue Kleidungsstücke dazu kommen, müssen alte Klamotten ausgemistet werden. Also prüfe mal, wo man bestehende Ansprüche, Zielsysteme und Prozesse zurück bauen oder ganz streichen kann.
7. Tipp: Einen OKR Coach benennen
Wenn jedes Team sich selbst mit OKR beschäftigt, dann werden Erfahrungen, Wissen und Tricks nur sehr langsam gesammelt und sich in der Organisation verteilen.
Eine Person, die im Unternehmen die Rolle des OKR-Coach übernimmt, kann sich viel intensiver mit der Methode auseinander setzen. Gerade ein Prozess, der nur alle 3 Monate durchlaufen wird, ermöglicht nicht gerade viele Lern-Chancen. Um so wichtiger, dass diese möglichst an einer Stelle zusammen kommen.
Der OKR Coach sollte im Unternehmen ein breites Vertrauen genießen. Ähnlich wie bei agilen- oder Team-Coaches sind soziale Kompetenzen wichtig. Es geht am Ende mehr um die Menschen und diesen zu helfen zu guten Ergebnissen zu kommen, als um das Durchziehen einer Methode.